Auf das falsche Pferd gesetzt
Wann ist man Fan einer Marke – und wann nicht mehr

Es gibt Marken, die uns ein Leben lang begleiten. Nicht selten haben schon Eltern und manchmal sogar bereits die Großeltern Treue geschworen.
„Werthers Echte“ ist ein schönes Beispiel aus meinen Kindertagen, an das ich mich gern zurück erinnere. Die gute Miele Waschmaschine oder der Mercedes waren früher gut und genießen heute bei manchem Käufer Urvertrauen. Ein unschätzbarer Vorschuss, wenn wir aus dem Bauch heraus eine Markenpräferenz haben und nicht Kopf gesteuert in den Pitch mit den Alternativen gehen.
Manche Markenliebe wächst von ganz allein. Nicht selten gibt es noch nicht einmal eine echte Präferenz. Man landet irgendwann bei einer Marke und es funktioniert. Warum sollte man wechseln?! Andere machen es vermutlich nicht wirklich besser … vielleicht aber auch nicht schlechter. Das weiß man immer erst hinterher.
Der Mensch ist gern ein Gewohnheitstier. Nicht immer und nicht jeder, aber fast jeder von uns hat seine Muster; Ein Lieblingsgericht, ein Lieblingslokal, einen Lieblings-Fußballclub oder einen Lieblingsurlaubsort. Wollte man einen anderen nur mit Argumenten überzeugen, käme man schnell in Erklärungsnot. Es ist Begeisterung, ein langer gemeinsamer Weg und in der Zeit gesammelte Momente, die eine emotionale Bindung schaffen.
So ging es mir mit „meiner“ Tankstelle. Als Münsteraner ist man gleichsam ein echter Westfale. Und wo tanken „echte Westfalen“? Genau… Ergibt natürlich keinen echten Sinn, aber es war vor 30 Jahren exakt so. Vielleicht auch, weil „meine“ Tankstelle direkt auf dem Heimweg lag. Am Ende waren irgendwann alle Vernunftsgründe egal, auch dass nicht selten der Liter Benzin woanders ein paar Pfennige billiger war. Ein echter Fan handelt nicht rational.
Wenige Jahre später zierte eine originale Zapfsäule aus den Sechzigern das Wohnzimmer. Die von BP wie auch die von Shell wären farblich schöner gewesen, aber es wurde die Blau-Gelbe. Nicht ganz billig, das gute Stück – es hatte mich damals einen Monatslohn gekostet. Danach wurde beim Tanken erst recht kein Kompromiss gemacht.
Kommt irgendwie bekannt vor? In Ihrer Garage zufällig alle Gartengeräte in einer Farbe und von einem Hersteller? Im Schrank auf an jeder Jeans das selbe Label? Na logisch. Wenn es einmal passt, dann auch beim nächsten Mal. … So lange, bis es nicht mehr passt.
Das war nach 30 Jahren Westfalenliebe in meinem Fall nicht anders. Auch in Stadtlohn war die „Blau-Gelbe“ immer die nächste. Allerdings auch räumlich, da genau auf der Mitte zwischen Firma und zuhause. Kein Wunder, dass hier nicht nur die Autos sondern auch Zweiräder mobil in all den Jahren gehalten wurden. Bis zum 1. August 2017, einem schönen Spätsommertag. So schön, dass ich mein Jacket mit Geldbörse im Mittag zuhause hängen lassen hatte, als ich mein Rad mit Plattfuß den Kilometer zur Westfalen geschoben habe. Alles Weitere im Stenogramm-Stil: die alten Luftprüfer weg +++ Dafür ein Luft-für-ein-Euro-Automat +++ Kein Euro dabei +++ Frage um Hilfe bei der „Service“-Kraft +++ „Da müssen Sie sich in Münster beschweren!“ +++ Und jetzt? +++ Man lässt mich auf die Frage, ob ich jetzt mein plattes Fahrrad weiter schieben muss, – oder mir bitte geholfen werden kann – weiter schieben.
Ein schwacher Moment einer überforderten Mitarbeiterin? Das würde „meine“ Lieblingstankstelle mit mir nach 30 Jahren Treue als Stammkunde doch nie machen – dachte ich. Ein echter Fan konfrontiert natürlich die, die es leicht wieder in Ordnung bringen können. Die Antwort der Zentrale war ein zweiseitiger Brief, der lähmend lang rechtfertigt, warum die Luft einen Euro kosten muss. Das war ganz sicher nicht meine Frage. Und es war nicht die Antwort, die ein echter Fan erwartet.
Die Ironie der Geschichte? Ich habe schnell eine neue Tankstelle gefunden. Das Personal ist noch netter, der Diesel günstiger und die Luft kostenlos. Eine Zapfsäule von denen für das Wohnzimmer werde ich mir dennoch so schnell nicht mehr zulegen. (M. Wagner – der Name wurde von der Redaktion geändert:-)
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