24 Feb

Designtrends 2020 – für Surfer wenig Neues

Weil ich es kann

Designtrends 2020

Was siehst Du vor Deinem geistigen Auge, wenn Du über Design nach denkst? In der Mode spielt sich aktuell das Allermeiste gefühlt „ganz unten“ ab. Nicht nur Laufschuhe sehen wie aus dem Testlabor der NASA aus. Es scheint alles möglich. Materialien, Farben und Formen geben Dir das Gefühl, in 2030 bereits angekommen zu sein. Zumindest mit den Füßen voran.

Und „oben“ so? Bei den Herren Vintage, Nostalgie und gefühlt die Zeitmaschine auf 1920 gestellt. Weiße Hemden, Westen, Fliegen und Schlagmütze. Alle in gedeckten Farben – klassisch, eben so, wie früher. Man kann dazu ja Sneaker tragen.

 

In der zweiten Hälfte der Achtziger erreichte Europa eine ganz besondere Welle: Windsurfing. Es war der Sport der Studenten der Ost- und Westküste Amerikas. Es war mehr als nur ein Sport. Es war Kultur und Lebensgefühl mit einer durchgestylten Welt. Das Spannende: Optisch hätte es nicht hetrogener sein können. Aber es war in einem Punkt gleich – alles war auffallend anders als das Establishment. Schaut man sich die Boards, Neoprenanzüge, Shorts und Hoodies von vor über 30 Jahren an, zeigt sich die DNA des aktuellen Designtrends. Hippie-Elemente, der T1-VW Bully, Bart und lange Haare auf der einen Seite, Hightech-Kevlar-Segel und Spezialfinnen und Glasfaserboards auf der anderen Seite. Alles wohlbemerkt in einem Gesamtensemble.

Von den einstigen Marken Billabong, Chiemsee, Dakine, Maui Oakley, O´Neill, Oxbow, oder Quicksilver haben die allermeisten überlebt. Nicht ohne Grund, denn es gibt einen Kundenstamm, der es als Statement getragen hat. Auch fällt auf, dass die genannten Marken optisch jung geblieben sind. Mit dem Designtrend 2020 sehen wir als MARKENpflanzer und waschechte Surfer der 80ziger Jahre für diese Marken Probleme aufkommen. Nahezu jeder der sieben signifikanten Trends leitet sich aus den charakteristischen Merkmalen der genannten Marken ab. Es sind nicht einfach nur Designelemente, sondern es ist die Logik, wie sie authentisch angewendet werden. Wer den Code knackt, schafft eine coole Kommunikationshülle für uncoole Marken. Im schlimmsten Fall wird ein spießiges Produkt mit dem Versprechen für ein ganz besonderes Lebensgefühl aufgeladen. Die ersten Boards waren allesamt custom made, weil handshaped. Danach kamen Marken, wie Fanatic oder Klepper, Mistral und Ten Kate, die es in Serie bauten. Außer Fanatic hat es keiner überlebt, bzw. man hat sich aus dem Massenmarkt zurück gezogen, weil es zur Nische wurde.

Im Produktdesign spielen Automobile eine große Rolle. Neben der Linienführung ist es die besondere Lackierung – und allem voran das Lichtdesign der Autos. Animierte Blinker, die sich mit dem Tagfahrlicht synchronisieren bis hin zum frei wählbaren Ambiente-Licht für Cockpit und Innenraum. Zuweilen ist das Lichtdesign das Markanteste. Immer schwerer fällt die Unterscheidung innerhalb der Modellserien eines Herstellers. Zuweilen sind die SUV-Coupes von BMW und Mercedes für den Laien nicht mehr unterscheidbar.

 

Die Entwicklung wird sich die nächsten Jahre tendenziell eher verstärken, als abschwächen. Massenprodukte orientieren sich an den großen Trends. Und die lassen sich perfekt berechnen. Mit breiten Erhebungen und immer mehr durch KI. Gutes findet innerhalb kürzester Zeit viele Nachahmer, dass ein dauerhaftes Alleinstellungsmerkmal im Markt immer schwieriger wird.

 

Marke und Produktinszenierung werden indes immer spannender. Welcher Hersteller erzählt eine Geschichte, die man behält und sich damit sympathisiert – um am Ende durch Kauf Teil des Ganzen zu werden?

 

Die Trends der letzten Jahre waren von Flatdesign und Harmonie geprägt. Gute Seiten zeichneten sich durch Reduktion und Cleanheit aus. Weniger war mehr. Jedes Element war mathematisch ableitbar und Stand für Stringenz. Das Verblüffende für Kunden und Laien gleichermaßen war der handwerklich hohe Anspruch, da weniger (Verzierung) auch mehr Arbeit ist.

 

Die „Wilden“ der Designszene provozieren gern mit Extremen. Grelle Farbkontraste, graffitiartige Elemente, Vintagelook gemixt mit düsteren Fiktionen, die an Endzeitegoshooterspiele erinnern. „… Na und? Hat es doch schon immer gegeben!“ Genau, aber jetzt ist es salonfähig geworden. So, wie wir kaum noch einen Profifußballer ohne Tattoo sehen, wird es Cyberpunk im Kommunikationsdesign geben. Das nicht nur für die ganz coolen Nischenprodukte, sondern für FMCG wie auch Investitionsgüter. Die Surfer-Szene in den 80ern hat es uns perfekt vorgemacht. Die Skaterszene reitet heute noch auf Rollen – 40 Jahre später auf der Welle.

  1. Trend – Farbschock. Die 80er waren die Wiege der Neonfarben. 10 Jahre später kam der Polo Harlekin, der werksseitig alle Unfarben kombinierte. War nicht cool und sauhässlich wie das Auto selbst. Heute ist das Bekennen zu neuen Farben auf breiter Front – das im Mittel- wie auch Edelsegment der Hersteller. Die Peugeot-Studie 2008 ist aus, wie ein Neon-Textmarker auf Rädern. Der Mercedes SLS AMG Coupé Electric Drive wurde in der Trendfarbe Blau vorgestellt. Der neue Golf 8 in Limonengelb Metallic. Man darf beim Bestseller davon ausgehen, dass wir irgendwann einige Hunderttausend davon auf den Straßen sehen werden. Dieses nicht nur von Avantgardisten gelenkt. Knallfarben sind salonfähig geworden. Auffallen in Serie.
  2. Trend – organisch / Street Art. Wer diesen Sommer im Freibad sein T-Shirt auszieht, könnte nackter denn je aussehen. Tattoos sind weiter im Trend. Auf der Haut und auch im Straßenbild. Da heißt es eben nicht mehr Graffiti sondern Street Art. Wenn der Gebäudeschutz während des Verzierens auch nicht direkt mit Tränengas und Schäferhunden anrückt, kann man in Ruhe etwas Schönes zaubern. Auch im Kommunikationsdesign. Gerade die HR-Werbung geht gern den Weg. Man will die jungen Leute schließlich cool ansprechen. Da ist die Azubi-Anzeige schon seit ein paar Jahren schriller. Die Gestaltung der Getränkedose auch schon und jetzt kommen Chipstüten und sogar Wein-Etiketten. „Sei ein Punk …“
  3. Trend – Collagen / Typographie. Elemente surreal begrenzen und bewusst hart trennen bewegt sich zwischen Popart und Vintage. Elemente rausreißen oder überkleben hat seinen handwerklich künstlerischen Touch. Es wird jedoch nicht gefummelt sondern entschlossen und mutig. Das kann man perfekt mit Buchstaben machen, die gefühlt aus der Reihe tanzen; in ihrer Formatierung, Ausrichtung und Farbe. Man arbeitet in sichtbaren Layern und läßt es unvollkommen, weil der Betrachter teils in die Unordnung am liebsten eingreifen möchte. Es provoziert und reizt.
  4. Trend – Cyperpunk als düstere Fiction. Es erinnert an Vanitas des Barock. Der gern gemalte Totenkopf sollte dem Betrachter klar machen, dass er nur Gast auf Erden ist. Heute erzeugen dystopische Elemente ähnliche Gefühle. Das Leben als Battlefield der Zukunft. Digitalisierung, KI und Robotik helfen dem Menschen und können zur latenten Bedrohung werden. Wer als Künstler wie auch Designer etwas auf dem Kasten hat, spielt mit den Bildern. Der Totenschädel wird wieder salonfähig, wenn er Pilotenhelm trägt oder Teil eines Endoskeletts ist. Die Tattoo-Welt lässt grüßen…
  5. Trend – 2- und 3D im M.C. Escher-Look. Es gibt eine schöne Parallele mehr, die goldenen 20er des Letzten Jahrhunderts erinnert. Maurits Cornelis Escher ist Meister der Illusion gewesen. Die perspektivischen Bilder kamen zugeben so richtig während und nach dem 2. Weltkrieg aufs Papier, aber es ist das Markenzeichen des Niederländers. Aktuell setzen sich immer mehr Motive mit Schrägen und Meißelkanten durch. Sie geben planen Elemente Dimension. Hinzu kommen feine Strukturen. Linien, Muster und Füllungen schaffen harte Kontraste. Sie verstärken den Collagen-Effekt und haben mitunter Vintage-Charme.
  6. Trend – Vintage. Genauer betrachtet ist das Neue, was uns aktuell erwartet, dem genauen Beobachter sehr gut vertraut. Vintage-Look bedient genau diesen Trigger. Es soll vertraut, authentisch und echt wirken. Wer kennt als Surfer noch „Mr Zog´s Sex Wax“. Es sah wie ein Produkt aus Großmutters Schrank aus, aber es hatte einen bewusst provokanten Namen, der mit der alten Prüderie aufräumte.
  7. Trend – Loop. Instagram ist der beste Lehrer. Die Quote der Stills, also „einfachen“ Bilder, die sich nicht bewegen, sinkt gespürt täglich. Videos, aber vor allem Loops, wie man sie perfekt mit Boomerang erzeugen kann. Die Sekunde wird zur Endlosschleife. Je trivialer der Moment, desto größer die Spannung, was aus der Sekunde wird. Wir kennen es aber auch aus unzähligen (WordPress-)Seiten, die Zahlen zu Fakten hoch zählen. Beliebt sind auch Balken, die als Diagramm auf einen Wert optisch wachsend ansteigen.

Der zuletzt genannte Trend ist klar die Weiterentwicklung, die durch Digitalisierung erst möglich wird. Animationen ziehen ganz anders die Blicke als statische Inhalte. Man müsste hier schon fast der Vollständigkeit das akustische Logo ergänzen. Es muss kein Dreiklang oder eine Fanfare sein. Es kann auch der Soundloop von MC Hammer sein, der Check24 ins Gedächtnis brennt.

Wenn sich die prognostizierten Designtrends Fuß fassen, werden wir so viel Gutes wie auch gleichzeitig Schlechtes wie noch nie zu sehen bekommen. Vermutlich sogar noch weit mehr Häßliches, denn es wird eine echte Herausforderung sein. Es erfordert nicht nur handwerkliches Können, sondern auch extrem viel Erfahrung. Ich muss das Bekannte hinter der Idee kennen und verstehen. Dann erst kann das Kreativspiel beginnen. Das gilt für Collagen, Street Art und Vintage in besonderem Maße. Die moderne Neuinterpretation vertrauter Klassiker erfordert Fingerspitzengefühl. Das Pastiche einer Kunstfigur, einer Gemäldeszene oder einer Insignie als neues Logo ist die Königsdisziplin. Es wird ein Statement von Klasse sein.

Warum? Weil sich die Marke selbst nicht krampfhaft ernst nimmt und mit seinem Publikum auf intellektuelle Weise flirtet. Die Marke wird cool, weil Punk-Faktor. Man reißt alte Konventionen ein und entthront den Mitbewerb. Es gibt der Marke eine neue Leichtigkeit und auch Jugendlichkeit. Gleichsam hat es etwas von Outlaw – man bricht alte Regeln des Kommunikationsdesigns und bricht sichtbar aus.

Man muss sich etwas trauen. Ein Element schrill einfärben ist nur ein Stück des Weges. Hier wird sich zeigen, wer das Kreativspiel beherrscht und wer nur kopiert und dekliniert.

Aus MARKENpflanzer-Blickwinkel eröffnen sich spannende Perspektiven für die Neuinszenierung von Produkt und Marke. Es wird zum Coolnessfaktor werden. Wer so auftritt, ist in den 20ern angekommen. Der Rest ist eben sichtbar noch auf dem Weg dahin.

Die Designtrends darf man nicht ganz los gelöst von den gesellschaftlichen Megatrends sehen. Zukunftsforscher identifizieren. Die Studie des ZukunftsInstituts teilen wir in weiten Teilen. Dort wird von „Urban Matcha“, „Digital Creatives“ und „Golden Mentors“ als größte Einflussnehmer auf unsere Gesellschaft gesprochen. Alle drei Gruppen vereint Bildung und die Motivation, das Wissen zu nutzen.

Die einen als Potential, sich kontinuierlich zu optimieren und Neues kennen zu lernen, die anderen, um aus technischem Fortschritt das maximale Potential zu entfalten und die „Alten“, die mit ihrer großen Erfahrung wertvolles Wissen und eben Werte transferieren.

Megatrends beschreiben Muster, die sich aus der Häufigkeit ergeben, wie etwas auftritt. Bei den identifizierten Designtrends stehen wir am Anfang. Wie dominant und anhaltend sie werden, ist fraglich.

  • werden weniger Agenturen und Grafiker die neue Designsprache beherrschen
  • wird es nicht zu jedem passen
  • braucht es einen um so klareren Kern, um progressiver gespielt werden zu können
  • hat nicht jeder Auftraggeber eine Zielgruppe, die darin Identität und Werte sieht

„Weil ich es kann!“ ist schlecht, wenn ich besser nicht sollte. Sonst wären wir alle tätowiert, würden Bart & Zopf tragen und unser eigenes Bier brauen. Und es wäre am Ende nicht mehr cool. Design sollte strategisch und inhaltlich passend gewählt und nicht einfach kopiert werden. Für uns als w+ Die MARKENpflanzer die richtigen Themen.

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